Diskriminierung im Weltall
Jetzt ist es halbamtlich: Die Natur bevorzugt Materie gegenüber Antimaterie.
Wem eine solche Ungerechtigkeit nicht behagt, sollte eines wissen: Diese Diskriminierung
könnte der Grund dafür sein, dass es uns gibt.
Ein ehernes Gesetz der Teilchenphysik lautet: Wenn in unserem Universum Materie
entsteht, so auch immer Antimaterie zum selben Teil. Dies sollte auch beim Urknall
der Fall gewesen sein. Damals - vor rund 14 Milliarden Jahren - entstanden in
einer gewaltigen Energieexplosion Materie und Antimaterie im Verhältnis 1:1.
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Enkel des Urknalls |
In einem weiteren Gesetz heißt es: Wenn sich Materie und Antimaterie
über den Weg laufen, vernichten sich beide zu reiner Energie. Dies hätte auch
irgendwann nach dem Urknall passieren müssen, so dass unser Universum jetzt
nur aus reinem Licht bestehen dürfte. Wer sich jedoch einmal umschaut, wird
sehen, dass dem nicht so ist. Und wer genauer nachzählt, erhält folgendes Resultat:
Es muss einen Prozess gegeben haben, der kurz nach dem Urknall Antiteilchen
in Teilchen umwandelte, so dass auf 10.000.000.000 Antiteilchen 10.000.000.001
Teilchen kamen.
1967 formulierte der russische Physiker Andrei Sakharov, wie es zu dieser Unregelmäßigkeit kommen konnte. In seinen Berechnungen griff er auf ein Phänomen zurück, das erst drei Jahre zuvor - 1964 - experimentell gezeigt wurde: die CP-Verletzung (siehe Kasten).
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Ein Detektor
namens "BaBar" |
Nach dem indirekten Nachweis von 1964 gibt es jetzt - 37 Jahre später - den
ersten direkten experimentellen Nachschlag. Das Teilchenphysik-Experiment BaBar
in Kalifornien (siehe Kasten) untersucht seit 1999 den Zerfall von B-Mesonen (siehe Kasten). Im Juli 2001 hat die Arbeitsgruppe Ergebnisse veröffentlicht, die zeigen,
wie stark die CP-Verletzung wirklich ist.
Die Antwort lautet 0.59. Es handelt sich dabei um den Wert eines von rund 20
Parametern des Standard-Modells der Teilchenphysik. Wenn keine CP-Verletzung
vorläge, wäre dieser Wert 0. Dann wäre es in unserer Welt viel heller, es gäbe
aber niemanden, der sich daran erfreuen könnte.
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Das BaBar-Experiment
in Stanford
Mehr als 600 Wissenschaftler aus aller Welt haben sich bei BaBar
am SLAC (Standford Linear Accelerator Center) in Kalifornien zusammengefunden,
um der Frage auf den Grund zu gehen, warum es in unserem Universum
so viel Materie und so wenig Antimaterie gibt. Die Forscher lassen
dazu Elektronen mit Positronen zusammenstoßen. Im Juni 1999 nahm
das Experiment den Forschungsbetrieb auf.
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Die
Beschleunigerringe |
Das Experiment, das
der Asymmetrie von Materie und Antimaterie auf den Grund geht, unterscheidet
die beiden Teilchensorten schon im Aufbau. Die Elektronen werden
auf 9 Milliarden Elektronenvolt beschleunigt, deren Antiteilchen,
die Positronen, auf nur 3 Milliarden. Wenn beide Teilchenstrahlen
aufeinanderprallen, entstehen unzählige so genannte B-Mesonen, deren
Zerfall in einem 1200 Tonnen schweren Detektor mit Namen BaBar genau
untersucht werden.
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CP-Verletzung
Wenn Physiker von Spiegeln sprechen, haben sie nur selten Badezimmereinrichtungen
im Sinn. So kennt die Teilchenphysik drei unterschiedliche Spiegelungen:
Die Raumspiegelung (P) vertauscht oben und unten, links und rechts.
Die Ladungsspiegelung (C) vertauscht Materie und Antimaterie. Die
Zeitspiegelung (T) lässt die Zeit rückwärts laufen.
Eine Grundannahme des
Standard-Modells ist, dass sich unser Universum nicht von einem
"Zwilling" unterscheidet, in dem man die Zeit rückwärts laufen lässt,
danach Materie und Antimaterie vertauscht und zu guter Letzt auch
noch den Raum spiegelt. Gäbe es hier einen Konflikt, so zöge dies
dem Standard-Modell den theoretischen Boden unter den Füßen weg.
Physiker sagen daher, dass Universum sei CPT-symmetrisch.
Seit 1964 weiß man jedoch,
dass die vollständige Symmetrie nur für die Kombination CPT
gilt, nicht jedoch für CP beziehungsweise T alleine. Damals untersuchten
Physiker so genannte Kaonen, die aus zwei Quarks bestehen und ständig
in Teilchenphysikexperimenten erzeugt werden. Es zeigte sich, dass
wenige dieser Kaonen so zerfallen, dass sie die CP-Symmetrie verletzen.
Das war aber nicht so
tragisch. Denn 1972 bauten die Japaner Kobayashi und Maskawa die
Verletzung der CP-Symmetrie mit einem zusätzlichen Parameter in
das Standard-Modell der Teilchenphysik ein. Beschrieben wird dies
über den Parameter "sin 2 Beta".
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Was sind B-Mesonen?
B-Mesonen sind recht neu im Teilchengewerbe: Sie konnten ihre Existenz
bis 1982 erfolgreich verbergen. Denn sie sind schwer, wiegen fast
sechsmal so viel wie ein Proton. Deshalb reichten die Beschleuniger-Energien
lange nicht aus, um sie zu erzeugen. Den größten Teil zur Masse
trägt ein bottom-Quark bei. Daneben befindet sich in neutralen B-Mesonen
(den B-0s) noch ein Anti-down-Quark. Die Lebenserwartung eines B-0-Teilchens
ist nicht sonderlich üppig. Sie beträgt nur 1,56 * 10-12s.
Berechnungen zeigen,
dass die B-Mesonen sich sehr gut für die Untersuchung der CP-Verletzung
eignen, da diese bei ihnen besonders stark ausgeprägt sein soll.
Daher entstanden in den letzten Jahren weltweit so genannte B-Fabriken,
die nur der Erzeugung von Bs dienen. Damit ist es erstmals möglich,
die CP-Verletzung genauer zu untersuchen. Dass die kombinierte Spiegelung
von Materie (C) und Raum (P) bei Prozessen mit Bs nicht erhalten
ist, wurde das erste Mal Anfang 1999 am Fermilab entdeckt.
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Wissenschaftliche Quelle
- Physical Review Letters, 5. Juli 2001
Kurz und knapp
- Das BaBar-Experiment in Kalifornien hat einen direkten, verlässlichen
Nachweis für die CP-Verletzung bei B-Mesonen erbracht.
Weblinks
-
BaBar
Das BaBar-Experiment in Kalifornien
BELLE
Das BELLE-Experiment in Japan
- Mehr Links in KworkQuarks Hyperraum unter Physik > Teilchenphysik
> Symmetrien
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