Das durchgeknallte Experiment
In einem der größten Unglücksfälle der Teilchenphysik implodierte
mehr als die Hälfte des Super-Kamiokande-Experimentes in Japan. Zu Schaden
kam nur Technik - und die Aussicht, bald mehr über die Masse von Neutrinos
zu erfahren.
Die
Welt, oder zumindest jener Teil, der sich für Neutrinos interessiert, blickte
1998 voller Spannung auf Japan, als man dort die neueste Meldung über Neutrinos
auf den Tisch legte: Die wohl geisterhaftesten aller Teilchen sollten demnach
eine Masse haben - anders als bis dahin attestiert.
Gefunden wurden diese Ergebnis inmitten einer gigantischen Höhle: 40 Meter
im Durchmesser, einen Kilometer tief unter der Erde, gefüllt mit 50.000
Tonnen reinstem Wasser und an den Wänden bestückt mit 11.242 Licht-Detektoren.
Die Höhle steht immer noch, doch das Wasser ist abgelassen und von den
Detektoren haben rund 7.000 den 11. November 2001 nicht überlebt. Als die
ehemalige Mine mit neuem Wasser gefüllt werden sollte, ist ein Großteil
der so genannten Photo-Multiplier in einer Kettenreaktion implodiert.
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In
der oberen Bildhälfte sind die Photomultiplier heil, darunter kaputt. |
Dabei begann der November für die Neutrino-Forscher recht zuversichtlich.
Sie konnten sich bei einer auf der Hawaii-Insel Maui abgehaltenen Konferenz
zu dem Schluss durchringen, dass die Ergebnisse von Super-Kamiokande zusammen
mit denen aus dem kanadischen Sudbury (KworkQuark berichtete) nur mit schweren
Neutrinos erklärt werden könnten. Diese Bestätigung von Super-Kamiokande
ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Nobelpreisvergabe in Stockholm. Doch
es bleiben noch Fragen offen. So ist weiteres Datenmaterial vonnöten, um
das "Wie schwer?" zu klären.
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Ein
Bild aus besseren Tagen: Das funktionsfähige Kamiokande Experiment. |
Super-Kamiokande kann dazu erst einmal nichts beitragen. Denn die implodierten
Photo-Multiplier sind die Herzstücke des Experiments: Die 50 Zentimeter
langen Röhren weisen Licht nach, aus dem auf Zusammenstöße von
Neutrinos mit dem Wasser geschlossen werden kann. Drei Typen von Neutrinos kennen
Physiker. Das Super-Kamiokande-Experiment untersuchte unter anderem, ob die
Neutrinos auf ihrer langen Reise von der Sonne zur Erde ihren Typ ändern.
Dies ist bei nicht masselosen Neutrinos der Fall.
Die Reparatur wird mindestens ein Jahr dauern. Doch in Japan zeigt man sich
optimistisch: "Wir werden den Detektor wiederaufbauen. Das ist gar keine
Frage.", sagt Direktor Yoji Totsuka vom Kamioka Observatorium. Ganz billig
wird die Sache hingegen nicht: Jeder der 7.000 zerstörten Photo-Multiplier
kostet 3.000 Dollar.
Im Detail: Wie
funktioniert ein Photo-Multiplier?
Ihr Name trügt: Denn in Photo-Multipliern werden weder Photos
noch Photonen vervielfältig, sondern Elektronen. Es handelt
sich also um Elektronen-Vervielfacher, die aber so empfindlich sind,
dass mit ihnen einzelne Teilchen des Lichts (Photonen) nachgewiesen
werden können.
Und so funktionieren
sie: Fällt ein Photon auf die so genannte Photokathode eines
Photo-Multipliers, so kann ein einzelnes Elektron herausgelöst
werden. Dieses Elektron wird zu einem positiv geladenen Pol beschleunigt,
trifft dort wuchtvoll auf und befreit gleich mehrere weitere Elektronen
aus dem Metall. Diese wandern gemeinsam zu einem zweiten Pol, wo
das Spiel von vorne beginnt. Nach zahlreichen solcher Verstärkungsprozesse
entsteht am Ende ein elektrisches Signal, das um viele zig Millionen
Male stärker ist als das ursprüngliche.

Photo-Multipliern sind
evakuiert, damit sich den Elektronen auf ihrem durch die Röhre
keine Luftmoleküle in den Weg stellen. Evakuierte Röhren
können implodieren, also in sich zusammenfallen, wenn sie dem
Außendruck kein Paroli mehr bieten.
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Kurz und knapp
- Bei der Beantwortung der Frage, ob Neutrinos eine Masse haben, spielte das
japanische Super-Kamiokande-Experiment eine wichtige Rolle.
- Am 11. November 2001 sind über die Hälfte der 11.242 Lichtdetektoren
des Experiments implodiert.
- Die Reparatur wird mindestens ein Jahr dauern.
Weblinks
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Das
Super-Kamiokande-Experiment
Auf den Seiten gibt es zahlreiche Fotos vom Bau des unterirdischen Detektors
und natürlich allerhand über die wissenschaftlichen Erkenntnisse,
die mit seiner Hilfe gewonnen wurden.
History
of the neutrinos
Hier wird der Geschichte rund ums Neutrino viel Aufmerksamkeit geschenkt.
- Mehr Links in KworkQuarks Hyperraum unter Physik > Teilchenphysik
> Neutrinophysik
Schlagworte
Photos auf dieser Seite: (c) ICRR (Institute for Cosmic Ray Research), The University
of Tokyo
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