Neue Higgs-Pfunde
Die beste Schätzung für die Masse des bisher noch nicht gesichteten
Higgs-Teilchens musste nach oben korrigiert werden. Das gibt auch der Higgs-Idee
mehr Gewicht: Denn so leicht, wie die bisherigen besten Schätzungen voraussagten, konnte
das Teilchen nicht sein.
Gut
begründete Schätzungen spielen in der Teilchenphysik eine wichtige
Rolle. Das gilt insbesondere, wenn Teilchen gefunden werden sollen, die noch
niemand gesichtet hat. Wenn man hier beispielsweise gut schätzt, wie schwer
ein Teilchen ist, kann man sich bei der Suche auf die entsprechenden Massebereiche
konzentrieren.
Ganz oben auf der Fahndungsliste der Physiker steht das Higgs-Teilchen.
Mit ihm versuchen Teilchenphysiker zu erklären, wie die subatomaren Teilchen
zu ihrer Masse gelangen. Der Theorie zufolge sorgt das Higgs-Teilchen dabei auch dafür,
dass es selbst zu seiner Masse kommt. Doch über das Wieviel an Masse schweigen die Modelle
– leider.
Daher muss indirekt auf die Masse des Higgs-Teilchens geschlossen werden. Bisher
sind Forscher dabei von einer Masse von 96 GeV/c2 ausgegangen. Diese konnte
jetzt auf 117 GeV/c2 angehoben werden (Ein GeV/c2 entspricht etwa 1,8 Tausendstel
Trilliardstel Gramm, dies ist ungefähr die Masse des Protons.). Das heißt
nun nicht, dass das Higgs-Teilchen 117 GeV/c2 schwer ist. Dies ist jedoch seine wahrscheinlichste
Masse für das Teilchen, wenn man die restlichen Parameter – wie etwa
die Masse der Quarks – berücksichtigt.
Viel leichter als 117 GeV/c2 kann das Higgs auch gar nicht sein. Denn am Beschleuniger
LEP am CERN in der Nähe von Genf hat man alle Massen bis 114 GeV/c2 abgesucht
und ist nicht fündig geworden. Die neue Schätzung für die Masse
des Higgs deckt sich also vortrefflich mit dem Nichtfund am LEP. Die Wahrscheinlichkeit
dafür, dass das Higgs-Teilchen weniger schwer ist als 251 GeV/c2, liegt
bei 95 Prozent, vor den neuen Ergebnissen lag diese Grenze noch bei 219 GeV/c2.
Das Faszinierende am neuen Ergebnis: Die Daten, die dazu herangezogen wurden,
lagen schon über zehn Jahre auf Magnetbändern vor. Sie wurden zwischen
den Jahren 1992 und 1996 am D0-Experiment am Beschleuniger Tevatron des US-amerikanischen
Forschungslabors Fermilab gesammelt. Aber erst jetzt konnten mit Hilfe fortgeschrittener
Analyse-Methoden die neuen Masseschätzungen ermittelt werden. Diese bezogen
sich zunächst auf die Masse des Top-Quarks, das 1995 am Fermilab gefunden wurde.
Zusammen mit den Ergebnissen anderer Experimente kann die Masse des Top-Quarks
nun mit einem Wert von 178.0 plusminus 4.3 GeV/c2 angegeben werden.
Daraus lässt sich die höchstwahrscheinlichste Masse für das Higgs-Teilchen
berechnen. Und ein Ende der Schätzungen ist noch nicht in Sicht. Am Fermilab
wird die Masse des Top-Quarks weiter verfeinert.
Wissenschaftliche Quelle
- Nature, Band 429, Seite 638
Kurz und knapp
- Nach neuesten Schätzungen ist der wahrscheinlichste Wert für
die Masse des Higgs 117 GeV/c2 und nicht wie bisher angenommen
96 GeV/c2.
- Die Schätzungen basieren auf mehr als zehn Jahre alten Daten, die erst
jetzt mit neuen Methoden ausgewertet werden konnten.
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